Autor: Irini Stivaktakis

  • Kollateralschäden

    Sie kommt immer dienstags und dann sitzt sie vor ihm, sie berührt ihn nicht, er berührt sie nicht, schaut sie nicht an, und sie tut so, als würde sie es nicht bemerken, das ist ihr schon früh leicht gefallen, das stelle ich mir zumindest so vor, alles Andere lässt etwas in mir reißen, unreparierbar, tief […]

  • Über die Schuld

    Ich erinnere mich noch genau an das Gesicht des Hausmeisters. Ich hatte, mit klopfendem Herzen weil verboten, eine der dicken weißen Beeren von einem der Sträucher auf dem Schulhof gepflückt, mit einem Stampfer zum Knallen gebracht, und er hatte es gesehen. Zehn Pfennig Strafe sollte ich nun zahlen. Ich hatte aber keine zehn Pfennig, denn […]

  • Über die Angst

    „Unsere Frauen“, so schreibt der Mann mit den deutschen Farben als Profilbild, „müssen beschützt werden.“ Meine Frage: Vor wem? beantwortet er mir so schnell, dass ich annehmen muss, er hätte nur auf die Frage gewartet: „Migrantenhorden, die mordend und vergewaltigend durch unser Land ziehen.“ Von flächendeckender Abschiebung aller Nicht-Biodeutschen schreibt er, ganz unverblümt, und wenn […]

  • Harambe tanzt | Affentod in Prosa

    Wenn der Mensch — das Smartphone in der Hand, David Attenboroughs Stimme im Kopf — die Natur so akzeptiert zu haben scheint, wie das Vorabendprogramm sie immer zeigt: wild, frei, rücksichtslos, Hauptsache in HD, und wenn dieser Mensch, der ja eine Brücke zwischen Tier und dem großen Ungewissen sei, dann entsetzt auf das Schauspiel fremder […]

  • Über die Unschuld

    „Hier jetzt rein?“, ruft der somalische Junge und fällt dabei fast vom Fahrrad. Sein kleiner Bruder lässt die Füße schleifen, und die beiden afghanischen Jungen kommen mit drehenden Pedalen zum Stehen. „Nein, noch eine weiter“, ruft eine große blonde Frau, die hinter ihnen geht und mich an meine Lieblingslehrerin erinnert; sie ist auch mehr geschritten […]